Eine 95-jährige kehrt Heim
--- 95 009 zurück in Sonneberg
Gestatten Sie bitte mich mal kurz
vorzustellen. Mein Name ist 95 009, Dampflokomotive im Ruhestand.
Geboren wurde ich offiziell am 26.3.1923. Meine Geburtsstätte
war die Lokomotivfabrik Borsig in Berlin.
Ja sie lesen richtig, ich bin
schon 95! Und da einem im diesem Alter das eine oder andere Zipperlein
plagt, bin auch ich nicht mehr taufrisch und beim Laufen auf fremde
Hilfe angewiesen.
Mit meinen 15,10 m bin ich schon eine imposante
Erscheinung, auch wenn einige meiner Kolleginnen wesentlich
länger sind. Diese haben aber auch meist einen separaten
Vorratswagen für Wasser und Kohle, auch Tender genannt, dabei,
während ich die Kohle sozusagen im Rucksack mitführe.
Auch in Punkto Stärke musste ich mich nie verstecken. Meine
beiden Dampfzylinder mit einem Durchmesser von 70 cm entwickelten in
meinen aktiven Tagen immerhin 1620 PS. Schnelligkeit war nicht ganz
meine starke Seite, aber 65 km/h Spitze waren in meinen Kindertagen
nicht von schlechten Eltern, dafür konnte ich ordentlich Kraft
auf die Schiene bringen. Und genau das war der Zweck für den
ich konstruiert wurde, nämlich Züge auf Bergstrecken
nachzuschieben oder Güterzüge zu ziehen. Doch auch
Reisezüge standen auf meinem Arbeitsplan.
So half ich unter
anderem mancher „hochhaxigen“ Schnellzuglok ihren
Zug über den Rennsteig oder den Frankenwald zu bringen.
In den
ersten Jahren meines Lebens war ich in den Bahnbetriebswerken (Bw)
Meiningen und Suhl zu Hause. Ab 1948 verschlug es mich dann zum Bw
Probstzella und dem diesem angegliedertem Lokbahnhof Sonneberg. Dort
blieb ich auch nachdem man mir 1966 einen neuen Kessel spendierte und
ich fortan mit Schweröl anstatt Kohle befeuert wurde.
Rund
fünfzehn Jahre war ich so ausgestattet noch bis 1981 auf den
Strecken Sonneberg – Grimmenthal, Sonneberg –
Saalfeld sowie darüber hinaus nach Rudolstadt und Oppurg im
Einsatz. Danach übernahmen Diesellokomotiven, sogenannte
„U-Boote“, die Arbeit an den Zügen und ich
wurde abgestellt.
Allerdings blieb mir der Gang zum Schrottplatz
erspart und ich durfte 1984 in den „Westen“
ausreisen. Dort fand ich in Dieringhausen ein neues Dach über
dem Kopf und erfreute bis 2014 so manchen Besucher.
In selbigem Jahr
verließ ich Dieringhausen und fand eine neue Heimat in
Glauchau.
Zwei Jahre später, 2016, machte ich eine Stippvisite
an meiner alten Wirkungsstätte in Sonneberg. Anlass war die
Einladung der Eisenbahnfreunde Sonneberg e.V. zu ihrem
50-jährigen Vereinsjubiläum. Dabei verliebte ich mich
erneut in meine alte Heimat und träumte seitdem gar oft von
einer Wiederkehr.
Nun ist es soweit, nach einigen Gesprächen
und ein paar Aufräumarbeiten im Sonneberger Lokschuppen, kehre
ich wieder nach Hause zurück!
Besonders Bedanken
möchte ich mich natürlich bei meinen Umzugshelfern,
der Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft Pressnitztalbahn mbH,
Erfurter Gleisbau GmbH, der Thüringer Eisenbahn GmbH und
allen, die es mir ermöglicht haben wieder nach Hause zu
reisen.
Wer mich und vieles mehr einmal aus nächster Nähe
bewundern möchte, der kann dies am kommenden Wochenende, dem
5. und 6. Mai, zum Frühlingsfest im Lokbahnhof Sonneberg gerne
tun.
Ich , der Lokbahnhof Sonneberg e.V. und die Eisenbahnfreunde
Sonneberg e.V. freuen uns auf Sie!
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